Intakte Umwelt Wald und Berge

Warum unsere Liebe zu neuen Kleidern die Zukunft unserer Kinder zerstört und was wir dagegen tun können

Als ich im sechsten Monat schwanger war, bekamen wir von Freunden sehr viele Babykleider geschenkt. Säckeweise. Das ist im Grundsatz eine wirklich nette Geste und in gewisser Weise hat es uns auch in der Vorbereitung aufs Elternwerden geholfen. Aber hinter den Säcken mit Babykleidern steht ein riesen Problem.

Kleidersäcke und Babyglück

Freunde fragten an: Habt ihr denn schon alle Kleider fürs Baby? Braucht ihr noch was? Wir hätten im Keller noch ein bisschen was an Babysachen – können wir gern mal vorbeibringen.

Und schon standen die Säcke mit Babykleidern bei uns in der Wohnung. Bei der Durchsicht der Kleider ist mir dann folgendes aufgefallen:

  • Es waren sooo viele Kleider, der Bedarf eines Babys kann doch gar nicht so gross gewesen sein.
  • Vieles war kaum getragen oder sogar noch neu.
  • Viele Kleider stammten von H&M, Zara und Co. und waren in den meisten Fällen nicht nachhaltig und fair produziert.

Dass ich mit dieser Beobachtung nicht allein bin, zeigen eine (nicht repräsentative) Umfrage im Bekannten- und Freundeskreis und Rückmeldungen viele unserer Kundinnen. Allen ging es gleich, alle haben diese vielen Kleidersäcke bekommen. Alle haben, bevor ihr Baby überhaupt auf der Welt war, Bodys, Strampler und Co. in vielzähligen Ausführungen in der Baby-Kommode zu liegen gehabt (O-Ton: «Lieber zu viel als zu wenig – ich weiss ja nicht, was es braucht»). Und alle haben die Kleider – teilweise unberührt – wieder nach wenigen Wochen in Kleidersäcke gepackt und im Keller oder Estrich verstaut und gehofft, sie irgendwann im Bekanntenkreis weitergegeben zu können.

Mich liessen die Kleidersäcke nicht mehr los. Ich habe mich gefragt, wieso es denn überhaupt so ist, dass man mit dieser Unmenge an Kleidern überschwemmt wird, und zwar fast jede Familie? Wieso gibt es so viele Kleider, die nur so selten getragen werden? Und was passiert mit den Kleidern, die nicht mehr gebraucht werden? Bei meiner Suche nach Antworten konnte ich lernen, dass das Phänomen des Überflusses nicht nur für Babykleider, sondern praktisch für die ganze Bekleidungsindustrie existiert. Wenn wir nichts dagegen tun, zerstört unsere Liebe zu neuen Kleidern die Umwelt und damit die Zukunft unserer Kinder.

Textilproduktion: viel zu viel – viel zu schnell – viel zu billig

In immer kürzeren Abständen produzieren Modeketten heute neue Trends. Die trendigen Kleider  werden massenhaft hergestellt, gekauft und wieder weggeworfen. Die weltweite Textilproduktion hat sich seit dem Jahr 2000 dadurch mehr als verdoppelt. Und die Schweiz belegt im pro-Kopf-Konsum von Kleidungsstücken weltweit einen Spitzenrang. Ca. 460 Millionen neue Kleidungsstücke werden hierzulande jedes Jahr gekauft – knapp 60 Kleidungsstücke pro Kopf (Statista 2019).

Für diese Entwicklung der Textilindustrie wurde der Ausdruck «Fast Fashion» geprägt.

Noch bis vor etwa 20 Jahren wurden in den Modegeschäften die Kollektionen 4 mal im Jahr geändert. Heute sind 12 bis 24 Wechsel pro Jahr keine Seltenheit mehr. Trugen wir früher einen Winterpullover mehrere Jahre, geht heute der Trend dahin, nicht 2-mal das gleiche Outfit zu tragen bzw. zumindest nicht auf Instagram damit gesichtet zu werden. Die ständig neuen Kollektionen in den Geschäften und Online-Shops wollen uns vermitteln, dass wir regelmässig neue Kleider brauchen. Schnäppchenwerbung und Rabatt-Angebote – Black Friday lässt grüssen – senden uns positive Botenstoffe ins Belohnungssystem unseres Gehirns. Ein kleiner verführerischer Kick, den wir gern wiederholen, vergleichbar mit dem Genuss der Lieblingssüssigkeit, um die wir einfach nicht herumkommen. Wir kaufen mehr und tragen die Kleidungsstücke aber viel seltener und kürzer.

Dass wir uns heute sehr viel mehr Kleider kaufen können als früher, liegt daran, dass ein Grossteil der Kleider sehr viel billiger hergestellt werden kann. Möglich wurde das durch  die Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer ohne Zwang zur Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards sowie durch die Verwendung von Polyester als günstige synthetische Chemiefaser.

Die Kehrseite des «schönen» Shopping-Rauschs – wir sortieren Jahr für Jahr mehr Kleider aus, um Platz in unseren Schränken zu machen.

Im Jahr 2005 wurden in der Schweiz 35`000 Tonnen Altkleider gesammelt, im Jahr 2011 waren es 46`000 Tonnen und 2019 ca. 50`000 Tonnen.

Pro Person werden in der Schweiz ca. 6.5 Kg pro Person pro Jahr in die Altkleidersammlung gegeben. Ca. 55% der Kleidung sind in guter und tragbarer Qualität und werden ins Ausland verkauft, z.B. nach Osteuropa und nach Afrika. Die Tendenz ist fallend, da die Qualität der Fast Fashion Produktion geringer ist und Kleider dadurch weniger lange halten als früher. Die restlichen Altkleider mit zu schlechtem Zustand werden zu Putzlappen weiterverarbeitet oder landen auf dem Müll bzw. in der Verbrennungsanlage.

Unterm Strich vernichten wir also nach kurzer Zeit von fast der Hälfte unserer massenhaft gekauften und selten getragenen Kleider die wertvollen Ressourcen, die in die Herstellung geflossen sind: wie Arbeitskraft, Erdöl, Energie oder Baumwolle. Und das hat katastrophale Folgen für die Umwelt und die Menschen in den Produktionsländern.

Unsere Liebe für neue Kleider zerstört unsere Umwelt

Hier habe ich euch einen Überblick über die am stärksten betroffenen Bereichen zusammengestellt.  Die ausgestossenen CO2-Emissionen bei der Produktion von Kleidung sind dabei nur ein Teil der schädlichen Folgen für unsere Umwelt.

CO2-Ausstoss

Derzeit verursacht die Textilindustrie jährlich 1,2 Billionen Tonnen CO2 – und damit mehr als internationale Flüge und Kreuzfahrten zusammen. Die Modeindustrie als Teil der Textilbranche ist allein für 5% der globalen Emissionen zuständig. Sie entstehen bei der Produktion von Plastikfasern, der Weiterverarbeitung und den langen Transportwegen. Und wenn der Entwicklungstrend sich nicht verlangsamt, wird die Textilindustrie im Jahr 2050 für 25% der jährlichen CO2-Emissionen verantwortlich sein.

Mikroplastik

Heute gibt es kaum noch Kleidungsstücke zu kaufen, die frei von Synthetik sind. Kein Wunder, reine Naturfasern sind in der Produktion einfach zu teuer, um dem Preisdruck auf dem Textilmarkt standhalten zu können. So sind mittlerweile rund 60% aller Kleiderfasern aus Polyester, eine Synthetikfaser, die aus nicht erneuerbarem Erdöl produziert wird. Eine einzige Fleece-Jacke kann bis zu einer Million Fasern pro Waschgang freisetzen, ein Paar Nylon-Socken immerhin noch 136.000. Laut einer EU-Studie spülen allein Europas Waschmaschinen jährlich 30.000 Tonnen Synthetikfasern ins Abwasser.

Mikrofasern werden von Meereslebewesen und Wasservögel unbe­absichtigt aufgenommen oder mit Nahrung verwech­selt und gefressen. Studien zeigen, dass Mikrofasern samt Schadstofflast – wie beispielsweise Weichmacher oder Flammschutzmittel – in die menschliche Nah­rungskette übertragen werden können (Greenpeace, Mikrofasern – Gefahr aus dem Kleiderschrank, Juli 2017).

Wasserverbrauch

Einer der beliebtesten Rohstoffe für Kleidung ist weiterhin Baumwolle. Die verbraucht schon bei ihrem Anbau riesige Mengen Wasser. Die Zahlen variieren je nach Quelle und betrachteten Ländern (die unterschiedlich viel Wasser verbrauchen) von 1214 Liter (ICAC) bis 10.000 (BCI), der WWF nimmt zum Beispiel 7.000 bis 29.000 Liter Wasser an (PDF), die nötig sind, um ein einziges Kilogramm Baumwolle zu produzieren. Ein Kilo Baumwolle entspricht dabei in etwa einer Jeans und einem T-Shirt.

In Zentralasien führte unter anderem dieser hohe Wasserverbrauch der ansässigen Textilindustrie zum Austrocknen des Aralsees, der ursprünglich mal eine Fläche 1.6mal so gross wie die Schweiz besass. Heute ist er auf ein Zehntel seiner Ursprungsfläche geschrumpft. Der frühere See hinterliess eine unbewohnbare Salzwüste über der giftige Chemikaliendämpfe wabern und die Gesundheit der Bevölkerung gefährden – eine ökologische, menschengemachte Katastrophe.

Giftige Chemikalien

Chemikalien kommen überall in der Textilproduktion zum Einsatz. Sei es, dass 10 bis 20 Prozent des weltweiten Pestizideinsatzes in der Baumwollproduktion erfolgen. Aber auch als Weichmacher von PVC-Verbindungen für die Herstellung von Kunstleder, zum Bleichen, Färben, Gerben und Veredeln von Textilien.  Weltweit sind fast 8000 verschiedene, zum Teil sehr gesundheits- und umweltschädliche Chemikalien in der Textilindustrie im Einsatz. Diese Stoffe vergiften Böden, führen zu Insektensterben und können die Gesundheit von Menschen in der Region schädigen.

Ausbeutung der Arbeiter

Menschen, die in Anbau- und Verarbeitungsländern der Textilbranche leben, leiden nicht nur unter der Zerstörung ihrer direkten Umwelt. In vielen Länder reicht der Minimallohn, den Arbeiterinnen erhalten nicht zum Überleben. Und bis heute werden immer wieder Fälle von Kinderarbeit und sklavenähnlichen Verhältnissen in der Branche bekannt.

Was können wir konkret tun – die Zauberworte heissen Slow and Circular Fashion

Die Babykleider in den Säcken waren für mich ein Weckruf und Anlass, um mich intensiver mit dem Thema Textilproduktion und -konsum zu beschäftigen. Seitdem hat sich viel für mich geändert und unter anderem habe ich Miniloop gegründet, um das Mieten von hochwertigen Babykleidern aus nachhaltiger Produktion auch in der Schweiz möglich zu machen .

Zum Glück muss es nicht immer ein eigenes Start-Up sein. Es gibt für uns alle Möglichkeiten, etwas für mehr Nachhaltigkeit im Kleiderschrank und damit gegen die Zerstörung unserer Umwelt zu unternehmen.

Im Prinzip geht es dabei um Wertschätzung und darum, auf nachhaltige und langlebige Mode zu setzen und jedes Kleidungsstück so lang wie möglich in seiner ursprünglichen Bestimmung zu verwenden. Wir sollten uns darauf fokussieren, den Textil-Kreislauf zu verlangsamen – von der Produktion bis zum Lebensende –  und dabei möglichst schonend hergestellte und idealerweiseschon einmal genutzte oder recycelte Materialien zu verwenden.

  1. Achte auf deine eigenen Kleidern im Kleiderschrank: trage ihnen Sorge, pflege und repariere sie und nutze die Kleidungsstücke solange es geht. Denn die Verlängerung der Nutzungsdauer von Kleidungsstücken ist gemäss Experten die wirksamste Methode, um die negativen Umweltwirkungen zu reduzieren.
  2. Kaufe weniger, wähle sorgfältiger aus, sprich kaufe wirklich nur Kleidungsstücke, die dir auch wirklich 100% gefallen. Wie du in 5 Schritten zu einem «Capsule Wardrobe» oder minimalistischen Kleiderschrank kommst, kannst du hier nachlesen: https://initiative-bettertomorrow.de/minimalistischer-kleiderschrank-5-schritt
  3. Wenn Du dich entscheidest, ein Kleidungsstück zu kaufen, setze auf Secondhand. Mein Lieblings-Secondhandshop in Zürich und mittlerweile auch in Luzern ist https://www.marta-flohmarkt.ch/ und der Zürcher Secondhand-Shop, der mich kleidertechnisch durch meine Schwangerschafts- und Stillzeit begleitete: http://gloria-secondhand.ch/
  4. Wenn du dich entscheidest, ein neues Kleidungsstück zu shoppen, investiere in hochwertige, langlebige und nachhaltig produzierte Stücke. Hier geht`s zu einem Guide für Schweizer Online-Shops für faire Mode: http://betterfashion.ch/shops/online-shops/
  5. Und wenn du  noch einen Schritt weitergehen willst: Suche Hersteller, die bereits circular-fashion-Asätze verfolgen, also zum Beispiel eigene Kleider wieder zurücknehmen, reparieren und recyceln. Nudie repariert deine kaputten Jeans , MudJeans verkauft nicht mehr sondern leased.  Eine erste gute Zusammenstellung über Hersteller und Ansätze für langlebige Kleidung https://utopia.de/ratgeber/langlebige-kleidung-welche-hose-haelt-am-laengsten/
  6. Leihe Kleidungsstücke, die du nur gelegentlich brauchst, z.B. Skianzüge oder Abendkleider oder miete dir Kleider, die du nur wenige Monate benötigst weren, z.B. Baby- und Kinderkleider.  Schau doch mal für Skianzüge bei sharely.ch , für schöne Kleider für besondere Anlässe bei www.sharealook.ch und für Babykleider hier bei uns www.miniloop.ch
  7. Gib Kleider, die du nicht mehr nutzen möchtest, aber noch im guten Zustand sind im Freundeskreis weiter oder tausche sie. Altkleidersammlung bitte wirklcih nur als letzte Option nutzen.
  8. Steig einfach selbst ins Textilrecycling ein, für Up- und Downcyclingprojekte gleichermassen.Das macht Spass, versprochen;-) Corinne Mattner alias Romy Hood bietet immer wieder Upcycling-Kurse in Zürich an: https://www.dynamo.ch/kurs/remix-remake-one-day Und das Internet ist voller toller Blogs und Profile. Hier eine kleine Auswahl: https://secondvintagelove.ch/tag/upcycling/ https://www.desired.de/fashion/upcycling-kleidung-ideen/ https://www.instagram.com/twoandahalfseams/?hl=de   https://tweedandgreet.de/upcycling-drei-neue-oberteile-aus-drei-schrankhuetern/

Slow Fashion bei Miniloop

Wenn du Teil unseres Slow-Fashion-Projekts werden möchtet, kannst du unseren Community-Newsletter abonnieren (hier zur Anmeldung) und unserer wachsende #miniloopfamily begleiten (facebook und instagram). Und falls bei dir oder Freunden ein Baby im Anmarsch ist, kannst du auf unserer Webseite unsere Mietboxen mit hochwertigen und nachhaltig hergestellten Babykleidern durchstöbern und für dich ein Abo reservieren.Hier geht es zu unseren Abo-Boxen: https://bit.ly/2UZc1ZG

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